Laut Sprachengesetz (Bundesgesetz 441.1 über die Landessprachen und die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften) fördern Bund und Kantone «im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Mehrsprachigkeit der Lernenden und Lehrenden» (3. Abschnitt). Mit diesem Gesetz will der Bund nach Art. 2:
a) die Viersprachigkeit als Wesensmerkmal der Schweiz stärken;
b) den inneren Zusammenhalt des Landes festigen;
c) die individuelle und die institutionelle Mehrsprachigkeit in den Landessprachen fördern;
d) das Rätoromanische und das Italienische als Landessprachen erhalten und fördern.
Gemäss diesem Sprachengesetz kann der Bund den Kantonen Finanzhilfen zur Förderung von Projekten gewähren. Die Finanzhilfen können u.a. für Projekte zur Förderung des Erwerbs einer Landessprache mittels zweisprachigem Unterricht gesprochen werden (vgl. Förderung der Landessprachen im Unterricht, Bundesamt für Kultur).
In der Schweiz findet bilingualer Unterricht bislang in zwei- resp. dreisprachigen Kantonen oder auf der Sekundarstufe 2 statt (Elmiger et al. 2022, 16). In den übrigen Kantonen findet er zunehmend in Form von Projekten statt. Neuenburg ist der einzige einsprachige Kanton, der den bilingualen Unterricht auf Volksschulstufe flächendeckend einführt (Biundo 2016, 57).
Was bringt der bilinguale Unterricht an der Volksschule?
Expertinnen und Experten nennen als Gewinn des bilingualen Unterrichts die hohe Motivation der Lernenden und ihre erhöhten sprachlichen Kompetenzen, insbesondere auf rezeptiver Ebene, sowie deren Einstellungen gegenüber Sprachen und dem Lernen im Allgemeinen. Ausserdem normalisiere der bilinguale Unterricht die vielsprachliche Realität, die ausserhalb des schulischen Kontexts herrsche.
Wie sind die schulischen Leistungen im bilingualen Unterricht?
Studien zeigen, dass der bilinguale Unterricht schon auf der Volksschulstufe etwas bringt (Borel et al. 2019; Fourcaud 2021; Jenny 2023). Kinder und Jugendliche in bilingual geführten Klassen erzielen in den Fremdsprachen bessere Ergebnisse als diejenigen von regulär geführten Klassen. In der Schulsprache erreichen sie gleich gute Ergebnisse. In Mathematik sind die Ergebnisse von Kindern und Jugendlichen in bilingual geführten Klassen i.d.R. ebenfalls besser.
Warum sind die schulischen Leistungen im bilingualen Unterricht in den meisten Fällen besser?
Die schulischen Leistungen im bilingualen Unterricht können auf verschiedene Gründe zurückgeführt werden:
- Erhöhung der Kontaktstunden mit der Fremdsprache, wenn sie nicht nur im Fremdsprachenunterricht, sondern auch in anderen Fächern benutzt wird,
- konsequenter Abbau von sprachlichen Barrieren durch zahlreichere Bedeutungsaushandlungen und sprachbewussten Unterricht und/oder auch handlungsorientiertere Lernformen
- intensiver Auf- und Ausbau von Problemlösestrategien durch die Konfrontation mit einer Fremdsprache.
Soll ich bilingualen Unterricht in einer anderen Landessprache oder auf Englisch anbieten?
Die Kinder und Jugendlichen in der Schweiz sind (teilweise erheblich) weniger in Kontakt mit den Landessprachen Deutsch / Französisch / Italienisch / Rätoromanisch, im Gegensatz zur Sprache Englisch, der sie in ihrer Freizeit oft begegnen. Es bietet sich deshalb an, die Kontaktzeit zur anderen Landessprache über bilingualen Unterricht zu erhöhen.
Oft ist Englisch beliebter bei Jugendlichen als die Landessprachen, wohingegen jüngere Kinder weniger befangen gegenüber den Landessprachen sind. Gerade weil die Landessprachen als schwieriger erlernbar scheinen als Englisch, sollte man sie durch zusätzliche Kontaktstunden im bilingualen Unterricht stützen. Dadurch, dass die Sprache als Mittel zur Kommunikation eingesetzt wird und Fehler (fast) keine Rolle spielen, verlagert sich der Fokus zu einer funktional ausgerichteten Verwendung der Sprache. D.h., dass vor allem der neue Inhalt verstanden werden muss. Diese Sprachverwendung wird von den Schülerinnen und Schülern i.d.R. als positiv aufgefasst und ermöglicht einen ungezwungeneren Umgang mit der Fremdsprache.
Wenn die Schülerinnen und Schüler bilingualen Unterricht in einer Landessprache erhalten, so sind sie auch besser in Englisch, auch wenn sie keinen bilingualen Unterricht in Englisch haben. Umgekehrt ist dies nicht der Fall: Wenn der bilinguale Unterricht auf Englisch erfolgt, machen die Schülerinnen und Schüler in den Landessprachen weniger Fortschritte (vgl. Kap. 1.1).
Expertinnen und Experten führen sprachenpolitische, wirtschaftliche und ökologische Gründe für die Bevorzugung einer Landessprache für den bilingualen Unterricht auf der Volksschulstufe auf.
Was sind Gelingensbedingungen für einen guten Projektstart?
Der Start eines bilingualen Projekts muss gut überlegt sein und wenn möglich auf einem politischen Entscheid beruhen. Ausgangspunkt kann ein Pilotprojekt sein, das an einem ausgewählten Standort angesiedelt ist. Sofort flächendeckend einsteigen wollen hat sich in vergangenen Projekten nicht bewährt.
Als Grundlage braucht es ein Konzept, das beispielsweise in Anlehnung an ein bestehendes Konzept aus einem anderen Kanton erarbeitet werden kann. Kontakte über die Kantonsgrenze hinaus, auch zu anderssprachigen Kantonen, sind sehr wichtig.
Wie kann ein Projekt längerfristig aufrechterhalten werden?
Für ein erfolgreiches Projekt ist eine stringente Kommunikation an alle Beteiligten unerlässlich: Informiert werden müssen Behörden, Medien, Schuldirektionen/-leitungen, Lehrpersonen, Aus- und Weiterbildungsstätte, Eltern usw. Ausserdem müssen die finanziellen Ressourcen sichergestellt sein. Es ist mit Kosten für die Weiterbildung der Lehrpersonen, für die Materialbeschaffung und für eine Entschädigung der Lehrpersonen für die geleistete Mehrarbeit (in den ersten Jahren) zu rechnen. Auch die Öffentlichkeitsarbeit beansprucht Mittel, um das Projekt publik zu machen. Für eine längerfristige Implementierung ist eine wissenschaftliche Begleitung unumgänglich, allenfalls gefolgt von einer Evaluation.